Für frischen Fisch auf den Tisch sorgten auch in Bochum zahlreiche Fischhändler. Aber lecker Fisch aus der Dose? Das ist für Bochum nicht so bekannt. Die Firma von Anton Seidensticker produzierte in der Adolfstraße 17-19 vorzügliche Fischkonserven, wenn man der Werbung glauben darf. Sein Fischindustriebetrieb war der einzige in Bochum und nach seiner eigenen Aussage nach auch der älteste in Westfalen. Zeitgleich betrieb er noch eine Lebensmittelgroßhandlung. Die Firma geht zurück auf die von seinem Vater Wilhelm Seidensticker gegründete Großhandlung. Sie soll bereits 1875 existiert haben.
Wilhelm Seidensticker übertrug 1919 den Betrieb seinen Söhnen Josef und Anton. Im Adressbuch der Stadt Bochum von 1920 firmiert die Großhandlung nun als „Gebr. Seidensticker Eier, Käse, Fisch, Konserven“. Als Produktionsstätte erscheint erstmalig die Adolfstraße 17-19. Im Jahr 1925 überließ Josef das Geschäft seinem Bruder Anton als Alleininhaber. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Fabrikgebäude teils zerstört. An verschiedenen Standorten konnte die Produktion, so gut wie es eben ging, erhalten werden. Erst 1948 war dies wieder in den Räumen Adolfstraße 17-19 möglich.
Anton Seidensticker zog sich 1959 aus dem Geschäftsleben zurück und übertrug die Leitung seinem Schwiegersohn Erich Rossmüller. Dieser bemühte sich 1961 um den Erwerb eines neuen Grundstücks, um die Produktionsstätte zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen, und um sie ferner auch kundenfreundlicher zu gestalten. Die Parkplatzsituation im nahen Innenstadtbereich, die zunehmend für Probleme sorgte, trug ebenfalls dazu bei. Denn die Kundschaft kam aus ganz Nordrhein-Westfalen. Man hatte ein Grundstück im Harpener Feld ins Auge gefasst, später ein Grundstück an der Poststraße. 1963 standen die Gebäude an der Adolfstraße zur Vermietung an. Doch eine neue Firmenadresse gab es wohl nicht mehr. 1966 verlautete eine kleine Notiz in der Tageszeitung: „Anton Seidensticker Fischkonservenfabrik - Lebensmittelgroßhandlung, Inhaber Erich Rossmüller, Bochum (Adolfstraße Nr. 17-18 [19]): Die Firma ist erloschen. Amtsgericht Bochum“.
Im März 2020 kontaktierte ein Stiepeler Bürger das Stadtarchiv und bot einen zufällig gefundenen Weißblechdeckel einer ehemaligen Fischdose dem Archiv an: Reste einer Fischkonserve aus Bochum. Diese Rarität hat das Stadtarchiv - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte natürlich übernommen. Seit Mai 2020 ist der Deckel jetzt Bestandteil des Musealen Sammlungsguts.