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Stadtarchiv - Erinnerungstage

März 1945: Auflösung der Bochumer Außenlager des KZ Buchenwald

Stadtarchiv - Erinnerungstage

Vermutlich am 18. März 1945 wurden die beiden Bochumer Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, das AL Bochumer Verein und das AL Eisen- und Hüttenwerke AG, „wegen Feindnähe“ geräumt. In überfüllten geschlossenen Eisenbahn-Waggons waren die ca. 1.950 Männer mehrere Tage lang ohne Proviant unterwegs. Am 21. März wurde ihre Ankunft im KZ Buchenwald registriert.

Da weder die Beschäftigung von Frauen noch die Ausbeutung von zivilen ausländischen Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen den kriegsbedingten Arbeitskräftemangel in der Rüstungsindustrie hatten kompensieren können, war der Einsatz von KZ-Häftlingen die allerletzte Arbeitskraftreserve. Die Betriebe mussten ihn beim Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS in Oranienburg beantragen.

Lager Brüllstraße

Im Juni 1944 entstand auf dem Gelände des Bochumer Vereins (BV), an der Brüllstraße, ein den Anforderungen der SS entsprechendes Lager. Die ersten Häftlinge – 446 überwiegend ungarische jüdische Männer, die mit einem Transport aus Auschwitz eingetroffen waren – mussten es selbst bauen. Das Lager wies Wachtürme und eine Umzäunung mit elektrischer Hochspannungsleitung auf, die die nahe gelegene Geschossfabrik des Bochumer Vereins mit einschloss. Weitere Transporte folgten im August (mit 400/500 Häftlingen aus Buchenwald) sowie im Oktober/November 1944 (mit noch einmal 270 Häftlingen aus Auschwitz und 500 Häftlingen aus Neuengamme). Die Mehrzahl der in dem KZ-Außenlager an der Brüllstraße untergebrachten Häftlinge waren Juden, darunter auch einige deutsche. Mit 1.704 registrierten Personen erreichte das Lager im November 1944 die höchste Belegungsstärke. Zur Bewachung war eine SS-Wachmannschaft des KZ Buchenwald nach Bochum abkommandiert worden. Lagerkommandant war Hermann Großmann, Obersturmführer der Waffen SS. Die Häftlinge fürchteten ihn sehr. In der Regel war er mit einem bissigen Schäferhund im Lager unterwegs und vergriff sich auch persönlich an den Gefangenen. 

Der Häftlingseinsatz in der Geschossfabrik des BV – zur Herstellung von Munition – begann im September 1944. Ohne Schutzkleidung mussten die Männer schwerste Arbeiten an gefährlichen Maschinen verrichten. Arbeitsunfälle und schlimme Verletzungen waren an der Tagesordnung. Die Gefangenen arbeiteten in zwei Schichten à zwölf Stunden. Die vorgegebene Norm konnten sie kaum erfüllen. Brutale Strafen – nicht nur durch die SS, auch durch zivile Vorarbeiter des Bochumer Vereins – waren die Folge. Zahlreiche Häftlinge kamen zu Tode. Sie starben durch Misshandlungen, an Überarbeitung, aus Hunger und Erschöpfung und durch gezielte Hinrichtungen. Von den Werksärzten des Bochumer Vereins wurden 108 Todesfälle beurkundet; die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher.

Ein zweites Bochumer Außenlager des KZ Buchenwald gehörte zur Eisen- und Hüttenwerke AG, die im Zweiten Weltkrieg unter anderem Panzerplatten und Stahlbleche für die V2-Rakete herstellte. Der Einsatz der Häftlinge in der Produktion erfolgte ab August 1944 mit zunächst 400 überwiegend jüdischen Männern, deren Zahl sich bis Anfang November auf 652 erhöhte.
1945 konnte der Betrieb der Eisen- und Hüttenwerke AG nahezu unverändert weitergeführt werden; 1947 wurde die Firma als „Stahlwerke Bochum AG“ neu gegründet.

Rolf Abrahamson, ehemaliger jüdischer Zwangsarbeiter, im Gespräch mit Bochumer Jugendlichen im Bochumer Stadtarchiv am 01. März 2002. Bildnachweis: Stadt Bochum, Presseamt, Fotograf Hartmut Beifuß

Der Rücktransport ins Stammlager Buchenwald im März 1945 erfolgte für beide Bochumer KZ-Außenlager zusammen. Kurz vor der Befreiung von Buchenwald wurden die meisten der Bochumer Häftlinge, die bis jetzt überlebt hatten, auf einen der berüchtigten „Todesmärsche“ geschickt, unter ihnen der damals 20-jährige Rolf Abrahamsohn. In Marl geboren und
aufgewachsen, war er über das Ghetto Riga und die Konzentrationslager Kaiserwald, Stutthof und Buchenwald in das KZ-Außenlager Bochumer Verein gelangt. Er nannte es „eines der schlimmsten KZ“, die er zwischen 1942 und 1945 durchlaufen musste. Rolf Abrahamsohn überstand auch den Terror in der Kriegsendphase und wurde, erschöpft und krank, am 9. Mai 1945 von der Roten Armee in Theresienstadt befreit. Nach Marl zurück gekehrt, beteiligte er sich am Wiederaufbau der jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Recklinghausen, deren Vorsitzender er von 1978 bis 1992 war. Seit Ende der 1990er Jahre stellte er sich als Zeitzeuge zur Verfügung und teilte seine Erinnerungen mit zahlreichen, vor allem jungen, Menschen, auch in Bochum. 2011 wurde Rolf Abrahamsohn die Vestische Ehrenbürgerschaft verliehen. Am 9. März 2015 konnte er seinen 90. Geburtstag feiern.

Nur wenige der Männer, die die Gefangenen der beiden Bochumer Außenlager des KZ Buchenwald gequält hatten – als SS-Angehörige oder zivile Vorarbeiter – wurden nach Kriegsende zur Verantwortung gezogen. Dazu gehörten einige Mitglieder der SS-Wachmannschaft, die gemeinsam mit anderen Tätern des KZ Buchenwald von April bis August 1947 vor dem US-Militärgericht im Lager Dachau standen. Einer der Hauptangeklagten im sogenannten Buchenwald-Prozess war Hermann Großmann, der ehemalige Lagerkommandant des AL Bochumer Verein. Die Angeklagten wurden beschuldigt, gemeinschaftlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Großmann wurde zum Tode verurteilt und am 19. November 1948 in Landsberg am Lech hingerichtet. 1948 ermittelte auch die Bochumer Polizei. Die in dem Verfahren beschuldigten Führungskräfte und Beschäftigten des Bochumer Vereins lehnten jede Verantwortung ab. Die Untersuchungen blieben weitgehend ohne Ergebnis.

Literaturhinweise:

Ingrid Wölk: Das Außenkommando „Bochumer Verein“ des Konzentrationslagers Buchenwald, in: Jan Erik Schulte (Hrsg.): Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945, Paderborn 2005, S. 246ff.
Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald, München 2006
Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte und Jüdisches Museum Westfalen (Hg.): Rolf Abrahamsohn. „Was machen wir, wenn der Krieg zu Ende ist?“ Lebensstationen 1925-2010, Essen 2010