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Zuhause ist auch schön:
Bochum - die Stadt als Galerie
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Auch die Ferienzeit ist in diesem Jahr eine andere, die Corona-Pandemie hat so manche Urlaubspläne durchkreuzt, wenn sie einem nicht gleich die Lust auf weite Reisen ausgetrieben hat. Das heißt für einige: Urlaub zuhause. Wie gut daher, dass es in Bochum so viele schöne Ecken und so viele interessante Orte zu entdecken gibt. Die Reihe „Zuhause ist auch schön“ stellt in den kommenden Wochen viele solcher Orte vor und gibt Tipps, was sich in Bochum ganz Besonderes erleben lässt.
In der zweiten Ausgabe geht es um Kunst im öffentlichen Raum.
Für das Selbstverständnis der sich wandelnden Region im Nachbergbau-Ruhrgebiet spielt Kunst im öffentlichen Raum eine wichtige Rolle. Die Transformation des großen Montan- und Industriegebiets in die moderne bürgerliche Kultur- und Wissenschafts-Metropole von heute mit ihren Universitäten, Musik- und Theaterhäusern, anspruchsvoller Gastronomie und Grünflächen von hoher Aufenthaltsqualität spiegelt sich auch in den selbstbewusst ausgestellten Kunstwerken wider.
Das "Terminal" von Richard Serra (Quelle: Stadt Bochum)
Besonders die Bildhauerei ist im Ruhrgebiet prominent vertreten, versammelt in der so genannten „Open-Air-Galerie Ruhr“. Geschaffen von Stars wie Richard Serra und Mario Merz, Maria Nordmann und Giuseppe Spagnulo, Ulrich Rückriem und François Morellet – und oft genug Gegenstand hitziger Diskussionen, auch und gerade in Bochum. „Legendär ist die Debatte um das 1979 in Bochum, Nähe Hauptbahnhof, installierte Terminal des amerikanischen Stahlbildhauers Richard Serra“, heißt es dazu auf der Seite der Ruhr Kunst Museen – eine charmante Untertreibung für die unterschiedlichen Reaktionen, die die bis heute stark polarisierende Installation auslöst.
Aber gerade darum ist sie wohl auch der ideale Ausgangspunkt für einen Rundgang durch die Kunst im öffentlichen Raum der Stadt – außerdem ist das Kunstwerk vor dem Hauptbahnhof von überall leicht zu erreichen. Und das wissen Kunstfreunde auch außerhalb Bochums: Die zwölf Meter hohe, scheinbar schrägstehende und dabei doch perfekt ausgerichtete, begehbare Plastik aus 100 Tonnen Corten-Stahl sorgt für Kunsttourismus aus aller Welt. Entworfen hat Serra sie übrigens 1977 für die documenta 6, sie ist also internationales Publikum gewohnt.
Weiter geht es zum Stadtpark, der neben seiner bemerkenswerten Landschafts- und Naturgestaltung auch mit einigen Kunstwerken aufwartet. Gegenüber dem Kunstmuseum findet sich etwa Giuseppe Spagnulos „Grande Ruota“. Seit 2006 hat die ursprünglich im Schlosspark Weitmar aufgestellte Plastik hier ihren Platz und setzt mit ihrer demonstrativen Wucht und Schwere einen starken Gegensatz zu den filigranen Formen der sie umgebenden Pflanzenwelt. 53 Tonnen schwer, ist auch diese Arbeit aus Stahl ein Beispiel für die im postindustriellen Ruhrgebiet äußerst beliebten Kunstwerke aus ehemals in der Region verarbeiteten Werkstoffen.
Wer das Werk des Italieners lange genug betrachtet (genauer gesagt, bis nach Sonnenuntergang) muss für das nächste bedeutende Kunstwerk im öffentlichen Raum nicht weit gehen, sondern sich nur umdrehen. Seit dem Jahr 2010, dem Jahr der Kulturhauptstadt Ruhrgebiet, leuchtet hier François Morellets „Skyline“ blau schimmernd von der Fassade des Kunstmuseums. Die Installation des französischen Künstlers nimmt die hinter dem Museum aufragende Silhouette der Stadt auf.
Auf der anderen Seite des Museums erwartet das 5-teilige Bronzefiguren-Ensemble der „Fünf Bildhauer“ von Johannes Brus den Betrachter. Dass die sitzenden Männer allerdings aus Bronze bestehen, offenbart sich erst bei genauerem Hinsehen, denn eine spezielle Patinierung verleiht ihnen ein betonartiges Aussehen. Tatsächlich aber können Gussnähte, ja sogar ein stehengebliebener Gusskanal auf dem Kopf einer der Figuren entdeckt werden. Die „Fünf Bildhauer“ gehören zu den wenigen menschlichen Gestalten im Werk des in Essen lebenden Bildhauers, der vor allem für seine Darstellungen von Nashorn, Pferd, Elefant und Adler bekannt ist. Jede Bronzefigur wiegt 400 Kilogramm.
Die größte Dichte von Kunst im öffentlichen Raum in Bochum dürfte indessen im Schlosspark Weitmar zu finden sein. Hier finden sich Skulpturen und Installationen unter anderem von Lee Ufan („Relatum with Four Stones and for Irons", 1977), David Rabinowitch („Metrical Construction", 1979 / 80) oder Erich Reusch („Frankfurt Plastik“, 1978). Der Park ist eine wahre Fundgrube für konkrete Kunst: „Die Bezeichnung ‚konkret‘ verweist darauf, dass diese Skulpturen nichts anderes darstellen als das, was sie sind: Objekte aus Stahl und/oder Stein. Die an ihnen vorgenommenen Arbeitsprozesse sind immer nachvollziehbare und konstitutive Elemente der geometrischen Formensprache“, heißt es im Skulpturenführer des Schlossparks.
Kunst der ganz anderen Art findet sich auf der „Sauren Wiese“ an der Ahbachstraße. Sie dient der Erinnerung an das Schicksal der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, die während des Zweiten Weltkriegs in Bochum in über hundert Arbeitslagern untergebracht waren. Auf der „Sauren Wiese“, an der heute der renaturierte Ahbach entlang fließt, befand sich eines von mindestens 13 Arbeitslagern des Bochumer Vereins, seit 2012 ist die Stelle ein Gedenkort. Der Bochumer Künstler Marcus Kiel hat für diesen Gedenkort das Kunstwerk „Laute Stille“ geschaffen: eine Installation aus Zitaten ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter, eingestanzt in rostige Stahlbänder.
Der Rundgang durch die Kunst im Bochumer Stadtgebiet endet, wo er begann: am Hauptbahnhof. Links und rechts des markanten 50er-Jahre-Gebäudes befinden sich zwei der 16 Kunstlichttore der Stadt – besonders auffällig ist dabei der „Sprachenhimmel“ im größten der Tore, das die Universitätsstraße überbrückt. In zahlreichen Sprachen sind hier die Worte „Wohin“ / „Woher“ mit Leuchtröhren an die Decke geschrieben – ein Hinweis auf die vielfältige, multikulturelle Bevölkerung in der Kulturstadt Bochum.