
Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ präsentiert einmal im Monat ein besonderes Dokument oder Objekt aus den Beständen des Stadtarchivs – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte. Auf diese Weise werden nicht nur historische Ereignisse oder Persönlichkeiten vorgestellt. Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ gewährt auch einen Einblick in die bunte Vielfalt der historischen Zeugnisse, die zum kulturellen Erbe Bochums gehören und die im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte verwahrt werden.
Im Juni geht es um: „‘Steffens neuer Laden‘ – Eröffnung des ersten Selbstbedienungsladens Nordrhein-Westfalens am 25.11.1949“. Interessierte können die Exponate im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Wittener Straße 47, besichtigen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.bochum.de/stadtarchiv.
„Bitte bedienen Sie sich selbst…!“. Unter diesem Titel berichtete am 25. November 1949 die Zeitung „Ruhr-Nachrichten“ eher unauffällig und zwischen einer Vielzahl weiterer Artikel von einer umwälzenden Entwicklung des Einzelhandels, die die gesamte zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart hinein prägen sollte. Die Rede ist vom ersten Selbstbedienungsgeschäft Nordrhein-Westfalens, das unter dem Namen „Steffens neuer Laden“ an diesem Tag an der Ecke Hellweg / Huestraße in Bochum eröffnete. Vergleichbare Läden gab es bis dahin nur in wenigen deutschen Städten, wie in Osnabrück, Augsburg und Hamburg, nicht jedoch im Ruhrgebiet.
Auch die WAZ Bochum widmete an diesem Tag der Ladeneröffnung unter dem Titel „‘Neuer Laden‘ verkauft ohne Verkäuferin“ einen eigenen Artikel. Dort wird beschrieben, wie gewöhnungsbedürftig für die Kunden anfangs das „kinderwagenartige Gefährt“ war, welches sie beim Betreten des Ladens erhielten. Hierin befanden sich zwei große Drahtkörbe übereinander. Die eigene Einkaufstasche konnte hierbei im unteren Korb, die neu einzukaufenden Waren im oberen Korb untergebracht werden. Außerdem gab es noch eine Halterung für Regenschirme. Mit diesem Wagen konnte man sich nun frei zwischen den neuartigen Wand- und den freistehenden Mittelregalen bewegen. Die rund 400 zum Verkauf stehenden Produkte waren meist durchsichtig verpackt und konnten zur genauen Begutachtung in die Hand genommen werden. Die Preise waren auf die Verpackung geschrieben. In alter Weise wurde lediglich noch an der Feinkosttheke bedient. Abgerechnet wurden jedoch alle Waren am Kassentisch vor dem Ausgang, an dem eine moderne Registrierkasse zum Einsatz kam, die die eingegebenen Beträge selbstständig addierte. Die Beträge waren über ein Sichtfenster auch für den Kunden einsehbar, was für eine hohe Transparenz sorgte. Zudem erhielten die Kunden nun einen Kassenbon. Man rechnete sich aus, dass durch dieses moderne und personalsparende System bis zu 1000 Kunden an einem Tag im Selbstbedienungsladen abgefertigt werden könnten.
Dieser „neue Laden“ stellte in mehrfacher Hinsicht einen Neubeginn dar, da das alte Gebäude des damals bereits seit 300 Jahren existierenden „Steffens am Hellweg“ im Krieg zerstört worden war. Ein neues Gebäude wurde an der alten Stelle errichtet und ein ebenfalls neues – ursprünglich aus Amerika stammendes – Verkaufskonzept erprobt. Bis das neue Konzept richtig Fuß fasste, dauerte es allerdings noch einige Jahre. So wurde der erste große Supermarkt nach amerikanischem Vorbild, der neben Lebensmitteln auch noch andere Dinge des täglichen Bedarfs verkaufte, erst 1957 durch Herbert Ecklöh in Köln eröffnet. Vorher jedoch entstanden in Deutschland als Vorläufer der großen Supermärkte nach und nach immer mehr der kleineren Selbstbedienungsläden, von denen „Steffens neuer Laden“ in Bochum auf dem Gebiet des damals noch recht jungen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen der erste seiner Art war.
(2. Juni 2025)