
Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ präsentiert einmal im Monat ein besonderes Dokument oder Objekt aus den Beständen des Stadtarchivs – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte. Auf diese Weise werden nicht nur historische Ereignisse oder Persönlichkeiten vorgestellt. Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ gewährt auch einen Einblick in die bunte Vielfalt der historischen Zeugnisse, die zum kulturellen Erbe Bochums gehören und die im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte verwahrt werden.
Im Januar geht es um das Flugblatt „Mitbürger laßt euch nicht provozieren“.
Interessierte können sie auch im Stadtarchiv - Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte, Wittener Straße 47, besichtigen. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.bochum.de/stadtarchiv.
Viele Menschen in Deutschland zeigten sich 1923 geschockt über die Ermordung des deutschen Außenministers Walther Rathenau durch rechtsextreme Terroristen der Organisation Consul. Tausende demokratisch gesinnte Menschen waren bei der Berliner Trauerfeier dabei. Eher weniger im Bewusstsein war der Versuch Adolf Hitlers am 9. November 1923 Mussolinis Marsch auf Rom zu kopieren und die Macht in Bayern zu erlangen. Für die Menschen im Ruhrgebiet waren dies nur Nebenschauplätze.
Der Einmarsch der französischen Armee ins Ruhrgebiet bestimmte das tägliche Leben und Überleben. Vom 15. Januar 1923 bis zum 20. Juli 1925 stand Bochum unter französischer Militärverwaltung. Dazu kam das Problem einer immer stärker werdenden Inflation. Der deutsche Kanzler Wilhelm Cuno forderte die Bevölkerung des Ruhrgebiets am 13. Januar 1923 auf, „passiven Widerstand“ zu leisten.
Das ausgestellte Flugblatt wurde im Januar/Februar 1923 in den Bochumer Straßen verteilt und sollte die explosive Stimmung unter der Bevölkerung beruhigen und zugleich den Widerstandsgeist stärken. Der Tod des 15-jährigen Schlosserlehrlings Josef Birwe auf der Königsallee am Einmarschtag hatte zu großer Unruhe unter der Bochumer Bevölkerung geführt. Sich bedroht fühlende französische Soldaten hatten unkontrolliert in eine Menschenmenge geschossen. Dies war der erste Tote während der Besatzungszeit im gesamten Ruhrgebiet. Dementsprechend hoch schlugen die Emotionen der Bochumer. Die Gefahr einer unkontrollierten bewaffneten Auseinandersetzung mit den französischen Soldaten war groß. Schließlich war vielen Bochumern als Soldaten im ersten Weltkrieg der Umgang mit Schusswaffen sehr vertraut und im Geheimen wird sich auch die ein oder andere Waffe in der eigenen Wohnung befunden haben. In der deutschen Geschichte sind während der Ruhrgebietsbesetzung die meisten Flugblätter produziert und verbreitet worden.
(2. Januar 2023)