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Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Rita Kronauer

Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

geboren am 10. März 1953
Mitarbeiterin bei ausZeiten e.V. – Bildung, Information, Forschung und Kommunikation für Frauen

Interview-Termin: 4. Dezember 2012

Rita Kronauer, aufgenommen am 03.02.2012 für einen Kalender der Gleichstellungsstelle.
Rita Kronauer (Quelle: Stadt Bochum, Presseamt/Lutz Leitmann)

In ihrem Wohnzimmer, dem Frauen- und Lesbenarchiv ausZeiten, gibt es erst mal Tee. Draußen ist es nasskalt, drinnen wird Frauen-Energie getankt, denn ausZeiten hält, was der Name verspricht: eine Auszeit für Frauen. Ein Raum zum Nachdenken, Diskutieren und Stöbern. Ein Raum voller Geschichten von Frauen und ein Raum für ihre eigene(n) Geschichte(n).

Seit 1995 gibt es das feministische Archiv in Bochum, und seit dieser Zeit sammeln die Mitarbeiterinnen rund um Rita Kronauer akribisch jeden kleinen Schnipsel Frauen- und Lesbengeschichte. Der beträchtliche Bestand umfasst Zeitungsartikel, Broschüren, Filme, Plakate, Zeitschriften, Nachlässe von Frauen/Projekten sowie Bücher. Das Archiv legt damit einen Grundstein für eine Geschichtsschreibung, die Frauen in ihr Zentrum stellt. Es zeigt die Vielseitigkeit weiblichen Schaffens auf, das bis heute vielfach als bloße „Nebensächlichkeit“ abgetan wird. Im Nebenberuf ist das Archiv ein Veranstaltungsort, in dem in regelmäßigen Abständen Lesungen, Diskussionen und Filmvorführungen von und für Frauen stattfinden.

Dass sie einmal ihr ganzes Herzblut in ein Frauenarchiv stecken würde, hätte sich Rita als Mädchen wohl kaum träumen lassen. Aufgewachsen im beschaulichen Wittlich in der Eifel stand vor allem eines fest: Bloß nicht Lehrerin werden! Denn der „Herr Lehrer“, das war schon der Vater. Ebenso stand eine Überzeugung felsenfest, die auch heute viele junge Frauen teilen: „Ich bin emanzipiert“. Scheinbar gab es auch keinen Grund, sich benachteiligt zu fühlen. Für die Eltern war klar, dass auch die Tochter Abitur macht und studiert. Beim Helfen im Haushalt allerdings wurde dem einzigen Mädchen in der Familie der größere Part zugedacht. Dieses ließ sich davon nicht beirren, kletterte mit ihrer besten Freundin auf Bäume oder sprang vom Drei-Meter-Turm. Und so nahm sie sich nicht die Mutter zum Vorbild, die mit der Heirat ihren Beruf als Kindergärtnerin aufgegeben hatte, sondern die berufstätigen Frauen. Auf diesem Lebensweg hat sie von frühester Kindheit an auch die Liebe zur Musik begleitet, der Rita Kronauer bis heute treu geblieben ist. Nur ist mittlerweile nicht mehr die Flöte, sondern der Kontrabass das Instrument ihrer Wahl.

Der Numerus Clausus auf ihr Wunschfach Psychologie führte sie dann ins Ruhrgebiet in die neue Universitätsstadt Bochum. Während ihrer Studienzeit entdeckte die politisch interessierte und engagierte Studentin, dass die Frauenunterdrückung nicht in einem gemischten linken Zusammenhang zu bekämpfen ist. Sie erlebte, dass das Persönliche politisch ist, schloss sich der Frauengruppe Bochum an und arbeitete in verschiedenen Gruppen mit. Es folgte der Auszug aus der gemischten Wohngemeinschaft in eine Frauen - WG, in der nächtelang diskutiert wurde. Aber nicht nur dort: Frau traf sich. Frau war unterwegs. Das Interesse galt dabei nicht in erster Linie den Akademikerinnen, sondern der Frau von nebenan, der „Jedefrau“ sozusagen. Diese Vorstellung von Solidarität mit und unter Frauen begleitet Rita Kronauer bis heute.

Nach dem Studium bewegte sich Rita Kronauer weiterhin privat und beruflich im Kontext der autonomen Frauenbewegung, arbeitete im Frauenhaus Dortmund oder leitete Selbstverteidigungskurse für Frauen. „Ja, sicherlich habe ich auf materielle Privilegien verzichtet. Aber meine Arbeit war nie entfremdet, das ist das größere Privileg“, resümiert sie heute.

Ende der 80er Jahre entstand aus verschiedenen feministischen Gruppen in Bochum das überregionale Magazin IHRSINN. Eine radikalfeministische Lesbenzeitschrift, bei dem Rita Kronauer bis zu seinem Ende im Jahr 2004 als Redakteurin mitwirkte.

Aus der Beschäftigung mit und dem Widerstand gegen die Reproduktions- und Gentechnologien sowie gegen internationale Bevölkerungspolitik sammelte Rita Kronauer Zeitungsausschnitte, die bald eine eigene Systematik benötigten. Damit war der Grundstock für das spätere Archiv gelegt. Die Sammlung fand zunächst auf einem Regal im Bochumer Frauenbuchladen Platz, aber bald reichte das nicht mehr aus. Mitstreiterinnen und neue Räumlichkeiten wurden gefunden. Nach zwei Jahren in einem Kellerraum zog die Sammlung 1995 in die Josephinenstraße, wo sie sich interessierten Frauen und Mädchen erstmals als richtiges Archiv präsentieren konnte. 2003 siedelte das stetig wachsende Projekt dann in die Herner Straße 266 um, wo ausZeiten auch heute noch zu Hause ist. Ermöglicht wird das Archiv einerseits durch Spenden und Förderinnenbeiträge, andererseits durch die Archivas, die mitarbeitenden Frauen, deren Einsatz nicht nur dazu beiträgt, Frauen und Lesben sichtbar(er) zu machen,  sondern auch Frauen- und Lesbengeschichte zu erhalten.

Für Rita Kronauer ist ausZeiten nie nur sie selbst gewesen, auch wenn sie oft als Aushängeschild fungiert, sondern vielmehr ein gutes Team aus unterschiedlichen Frauen mit eigenen Spezialgebieten. So soll das Archiv keine Insel für einige wenige Frauen sein, sondern lädt neugierige Frauen mit und ohne Vorwissen herzlich ein. Und doch ist ausZeiten Rita Kronauers Lebenswerk. Die Trennlinie zwischen Arbeit und Leben ist da nicht immer leicht zu wahren. Aber zum Abschalten gibt es ja auch die Musik. Frau trifft sich eben immer noch.

Im Jahr 2024 wurde Rita Kronauer mit dem Preis des Fördervereins der „Stiftung Aufmüpfige Frauen“ geehrt.

Hier finden sie weitere Infos dazu Preisverleihung der „Stiftung Aufmüpfige Frauen“ | feministisches Archiv (auszeiten-frauenarchiv.de)

Anna Schiff