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Porträts bedeutender historischer Bochumer Frauen

Die Bochumer Madonna

Porträts bedeutender historischer Bochumer Frauen

Bildnis der Bochumer Madonna

Unsere liebe Frau in der Gefängniszelle
– das Geheimnis der Bochumer Madonna

Die heilige Barbara kennen wir alle als Schutzheilige der Bergleute. Wer aber war die Bochumer
Madonna? Diese Frage lässt sich bisher nur zum Teil beantworten.

Die junge Frau trägt ein langes Kleid und sitzt in einem karg eingerichteten Raum. Durch ein Fenster fällt ein Lichtstrahl auf sie. Ihr Blick ist auf einen Säugling gerichtet, den sie im Arm hält. Keine Frage, der Zeichner (oder die Zeichnerin?) der dieses Bild 1912 für die politische Satirezeitschrift “Der Wahre Jakob” angefertigt hat, hatte ein typisches Mariengemälde im Sinn. Tatsächlich handelt es sich bei der vermeintlichen Maria aber um eine Bergarbeiterfrau aus Bochum.

1912 war einmal mehr unruhiges Jahr für die Bergleute im Ruhrgebiet. Schlechte Arbeitsbedingungen und zu geringe Bezahlung – seit Beginn der Industrialisierung immer wieder ein Streitthema – führten dazu, dass die Arbeiter zu ihrem einzigen Machtinstrument griffen: dem Streik, auch hier in Bochum.
Für die Forderungen nach 8-Stunden-Schichten und besseren Löhnen legten bis zu 235.000 Bergarbeiter im März 1912 die Arbeit nieder. Viele Ehefrauen der Bergmänner unterstützten dies auch
aktiv, indem sie ihre Männer zu Protesten begleiteten. Man kann sich die Wut und Verzweiflung einer jungen Mutter vorstellen, die täglich um das Leben ihres Mannes fürchten musste, um seine
Gesundheit, um den dringend notwendigen Lebensunterhalt.

Die Situation war brandgefährlich: Kaiser Wilhelm II schickte schon bald 5000 Soldaten ins Ruhrgebiet, die den Streik niederschlagen sollten. „Scharfschießen!“ lautete der ausdrückliche Befehl, der vier Bergleute das Leben kosten sollte. Das brachte für die Streikenden das Fass zum Überlaufen, zeigte aber auch, wie hilflos man hier letztlich bewaffneten Truppen gegenüberstand. In diesem Moment der Eskalation waren auch einige der Frauen mit ihrer Geduld am Ende und beschimpften die Soldaten. Und das alleine führte zu Verhaftungen: Insgesamt 299 Männer und 84 Frauen wurden wegen Beleidigung beziehungsweise Drohungen eingesperrt. Eine dieser Frauen wurde mit ihrem fünf Monate alten Baby ins Gefängnis gesteckt – sie ist die Frau auf der Zeichnung, die als Bochumer Madonna bekannt wurde.

Die Faust in der Tasche und die Bochumer Madonna an der Wand
Ihre Verhaftung sorgte für einen Aufschrei unter den Bochumer Bergleuten – doch was sollte man angesichts von staatlicher Übermacht und Waffengewalt tun? Die Bergarbeiterfamilien entschieden sich für stillen Protest. Sie kauften Ausgaben des „Wahren Jakob“ mit der Zeichnung der Bochumer Madonna und hängten sich das Bild zu Hause an die Wand. Dagegen konnte schließlich niemand etwas haben, oder? Leider doch: Den Behörden entging das subversive Moment der Zeichnung als Symbol des Protests der Bergleute nicht. In vielen Fällen stattete die Polizei den Bergleuten einen ungebetenen Besuch ab und konfiszierte das Bild.

Mächtige Autoritäten, die sich von einer Mutter mit Säugling bedroht fühlen? Das mutet beinahe biblisch an: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen,“ sang Maria. Traurig, dass gerade christliche Gewerkschaften den Streik vielfach nicht unterstützt hatten. Der Wahre Jakob jedenfalls brachte die Situation mit einem (sehr) kurzen aber prägnanten Gedicht auf
den Punkt:
„Ihr löscht ihr Angedenken nicht,
Ihr im Westfalenlande.
Die Bochumer Madonna spricht
von unserer Zeiten Schande.“
Und so ist uns diese mutige Frau bis heute im Gedächtnis, und auch heute gäbe es viele Gründe, sich
ihr Bild an die Wand zu hängen.
Doch es gibt noch manches an dem Fall, das neugierig macht:
Wie hieß die Bochumer Madonna wirklich?
Was wurde aus ihr und ihrer Familie?
Diesen Fragen gehen wir derzeit nach – und hoffen, sie bald an diese Stelle zu beantworten.

Ist die Bochumer Madonna Teil Ihrer Familiengeschichte? Wissen Sie mehr über ihren Namen und ihr weiteres Schicksal? Dann schreiben Sie an info@auszeiten-frauenarchiv.de

Verfasserin:
Linda Unger, Jahrgang 1978. Sie studierte British Cultural Studies, Irish Studies, Neuere Geschichte und Philosophie an der Ruhr-Universität Bochum und der University of Liverpool (Abschluss Magistra Artium). Heute leitet Linda Unger im Frauenarchiv ausZeiten die Bochumer Frauenstadtrundgänge (dt.& engl.), macht Projektarbeit für das Digitale Deutsche Frauenarchiv, verkauft Bücher bei Mirhoff & Fischer und ist freie Aktivismusberaterin und -begleiterin: www.lindaruth.live

Die Literaturangaben und weitere Leseempfehlungen finden Sie im Porträt (PDF-Datei) auf dieser Internetseite.