
Kortums Bericht lässt deutlich erkennen, dass er zu jenen eher seltenen
aufgeschlossenen und verständnisvollen Vätern gehörte, die auch ihre Töchter
zu fördern bereit waren. Für seine eigene Tochter Henriette kam die Natorpsche
Schule allerdings zu spät. Henriette, geboren 1770, war begabt und, wie der
Vater berichtete, eine leidenschaftliche Botanikerin. Auch dies fand offensichtlich
seine Unterstützung. Aber trotz aller Begabung konnte sie als Frau nicht studieren und
nichts werden und nichts veröffentlichen, schon gar nicht im Bereich
der Naturwissenschaften. Während ihr jung verstorbener Bruder Medizin studierte
und mit seinem "Gesundheitsbüchlein für Bergleute" zu frühem Ruhm gelangte,
musste sie ihr Genie im heimischen Wohnzimmer verschwenden. 1794 hatte
Henriette Kortum den Apotheker Peter Wilhelm Ludwig Döring aus Hohenlimburg
geheiratet. 1818 wurde die Ehe geschieden, und auch dieser Schritt seiner Tochter
fand die volle Billigung und Unterstützung von Vater Kortum - was damals alles
andere als selbstverständlich war. Denn seit dem Allgemeinen Preußischen
Landrecht von 1794 konnten Frauen sich zwar scheiden lassen - ungefähr das einzige
Recht, das sie besaßen -, doch mussten sie dies in aller Regel mit dem Verlust
ihres Vermögens, ihrer Kinder, ihres sozialen Ansehens und mit der Verstoßung
durch die eigene Familie bezahlen. Henriette Kortum war eine sparsame und
geschäftstüchtige Frau, die jedem ihrer vier Kinder ein Haus vermachte. Die
eigenhändige Abrechnung für das 1827 erbaute, ihrer Tochter Henriette zugedachte
Haus in der Rosenstraße ist erhalten. Außerdem hinterließ sie eine 1790 begonnene
Sammlung von Backrezepten, darin vergleichbar einer weitläufigen Verwandten,
der Kochbuchautorin Henriette Davidis. 1839 starb Henriette Kortum. Ihre Grabplatte
befindet sich zusammen mit denen ihres Schwiegersohns und ihres Enkels sowie dem
Denkmal ihres Vaters auf dem Alten Friedhof an der Wittener Straße.