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Porträts bedeutender historischer Bochumer Frauen

Porträt von Agnes Hünnebeck

Porträts bedeutender historischer Bochumer Frauen

Porträt von Frau Agnes Hünnebeck, Schauspielerin und Lehrerin, schwarz-weiß Aufnahme
Schauspielerin und Lehrerin

1900-1983

Agnes Hünnebeck wurde als fünftes Kind der Eheleute Justizrat Otto Hünnebeck und Agnes Rebekka Hünnebeck am 9. Januar 1900 in Bochum geboren. Sie war die einzige Tochter nach vier Söhnen.

Der Vater war Rechtsanwalt, Vorsitzender der Nationalliberalen Partei und Mitglied des Magistrats in Bochum. Er heiratete 1886 die aus einer jüdischen Rechtsanwaltsfamilie stammende Agnes Rebekka Sutro. Mit der Eheschließung konvertierte seine Frau zum evangelischen Glauben, in dem sie auch ihre Kinder erzog. Der Vater starb 1911 im Alter von nur 51 Jahren. Die Mutter war gezwungen, die repräsentative und geräumige Villa an der Wilhelmstraße (heute Huestraße) zu verkaufen und bezog mit ihren Kindern eine Wohnung am Stadtpark.

Agnes besuchte ab 1906 vom ersten Schuljahr an die evangelische höhere Töchterschule. Ihr jüdischer Großvater, Justizrat Semajo Sutro, war lange Jahre Mitglied des Kuratoriums und Vorsitzender des Schulvereins gewesen. Ostern 1920 legte sie die Reifeprüfung ab und verließ 1921 mit dem Prädikat sehr gut befähigt die Seminarklasse des Oberlyzeums.

Alte Aufnahme des Schauspielhauses Bochum
Vom traditionellen Rollenverständnis abweichend entschied Agnes sich für eine Ausbildung am Stadttheater Bochum, das seit 1919 unter der Leitung Saladin Schmitts stand. Im Juli 1923 empfiehlt Schmitt Agnes Hünnebeck an seinen Kollegen, den Intendanten Roland Müller-Stein des vereinigten Stadttheaters Gladbeck und Oberhausen mit folgenden Worten: "Die junge Dame, die Ihnen diesen Brief überbringt, hat mir aus einer Reihe von heroischen Rollen vorgesprochen. Ich halte sie für eine ausgesprochen starke Begabung im schweren heroischen Fach, von ganz großen Stimmmitteln und ungewöhnlicher Kraftentfaltung; natürlich noch nicht reif und durchgebildet. Bei der Neuorganisation Ihrer Bühne ist es vielleicht von Wert, eine Vertreterin der schweren dramatischen Aufgaben zu verpflichten, die jung und entwicklungsfähig ist, dabei noch bescheiden in ihren Ansprüchen."
Agnes erhielt einen Jahresvertrag für die Spielzeit 1923/24 an dem vereinigten Stadttheater von Gladbeck und Oberhausen und wurde als „Schwere Heldin“ verpflichtet.

Im Frühjahr 1924 entschloss sie sich, ein Studium zu beginnen und schrieb sich für Germanistik, Anglistik und Philosophie an der Universität Bonn ein. Aber schon im Herbst kehrte Agnes Hünnebeck nach Bochum in die elterliche Wohnung zurück, um die Mutter und Bruder Wilhelm zu unterstützen. Ihr Bruder hatte inzwischen sein Jurastudium in Göttingen mit der Promotion abgeschlossen und eröffnete eine Rechtsanwaltkanzlei in der Humboldtstraße. Hier arbeitete Agnes ab Juni 1925 als Sekretärin. Die Mutter starb im November 1925 und von nun an führte Agnes auch den gemeinsamen Haushalt der Geschwister Hünnebeck.

Zum Wintersemester 1929/30  nahm Agnes ihr Studium im Alter von 29 Jahren wieder auf und immatrikulierte sich an der Universität Münster. Abgesehen von einem Wintersemester - 1931/32 in Berlin - absolvierte sie ihr Studium dort und legte im Mai 1934 ihr Staatsexamen mit der wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab.

Beim Zulassungsverfahren zur Promotion hatte Agnes erstmals die nichtarische Abstammung ihrer Großeltern angeben müssen. Nach der Definition der Nationalsozialisten gehörte sie damit zur Kategorie Mischling 1. Grades. An der Universität Münster gab es Bestrebungen, Mischlingen die Promotion zu verweigern. Ihr Bruder, Rechtsanwalt Wilhelm Hünnebeck, erreichte durch seine Vermittlung, dass Agnes doch noch die Zulassung erhielt. Im Mai 1935 promovierte sie mit einer Arbeit zur Struktur des Schillerschen Jugenddramas.

Die volle Härte der nationalsozialistischen Gesetzgebung traf sie mit dem Abschluss des Universitätsstudiums. Durch das im April 1933 verabschiedete Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (Arierparagraph) wurde es ihr verwehrt, in den Staatsdienst zu gelangen, um den Beruf der Lehrerin zu ergreifen.
Sie konnte ihre Ausbildung nicht fortsetzen, da sie zum Referendariat nicht zugelassen wurde. „Halbarier seien von jeder kulturellen Betätigung auszuschließen", führte der damalige Oberschulrat des Provinzialschulkollegiums Münster in seiner Antwort auf ihr Gesuch aus.

Durch jüdische verwandtschaftliche Beziehungen und der Hilfe von Freunden aus der Studentenzeit, aber auch weil die Familie Hünnebeck in den Jahren vor 1933 zu einer gesellschaftlich sehr anerkannten wohlhabenden Familie in Bochum gehörte, gelang es Agnes und ihrem Bruder Wilhelm, seit 1942 in Berlin wohnend, die Zeit des Nationalsozialismus zu überleben.

Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai 1945 setzte sie ihre Anstellung als Lehrerin durch. Sie unterrichtete bis zu ihrer Pensionierung 1965 die Fächer Deutsch, Englisch und Philosophie am Droste-Hülshoff-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf.

Am 6. März 1983 starb Agnes Hünnebeck in Freiburg, wo sie die letzten Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Sie wurde in Bochum, auf dem Friedhof an der Blumenstraße, in der Familienerbgruft Hünnebeck an der Seite ihrer Eltern und ihrer Brüder beigesetzt.


Susanne Schmidt