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Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

Marianne Ortmann

Porträts zeitgenössischer Bochumer Frauen

geboren am 18. Oktober 1939
engagiert in der Altenbetreuung
Bundesverdienstkreuz am Bande
(erhalten im Dezember 2004)

Porträt von Frau Marianne Ortmann, engagiert in der Altenbetreuung, schwarz-weiß Aufnahme
Porträt von Frau Marianne Ortmann, engagiert in der Altenbetreuung

Interviewtermin: 16. Februar 2005

Unter der roten Kostümjacke ein paillettenbesticktes Oberteil, glitzernde Granatohrringe und der Lippenstift Ton in Ton zum Nagellack: elegant gepflegt erscheint Marianne Ortmann im Altenwohnheim, als wollte sie ausgehen mittags an einen ganz normalen Mittwoch. 

Und sie will auch ausgehen. Sie will die Bewohnerinnen und Bewohner der drei Stationen abholen zum Tanz. Einmal im Monat ist "Tanzcafé". Aber auch sonst macht sie sich schick, wenn sie ins Frieda-Nickel*) Seniorenzentrum der AWO in Langendreer geht, denn das machen auch die anderen. Für diese ist es etwas besonderes, zum "Tanzcafé" in den Gemeinschaftssaal zu gehen. 

Aber auch der Besuch beim "Kulturtreff" ist eine außergewöhnliche Abwechslung im Alltag. Er verkürzt die sonst oft so langen Nachmittage. Ebenso wie die Gesprächskreise, die Marianne Ortmann an den anderen drei Mittwochnachmittagen anbietet, wenn kein "Tanzcafé" ist. 

Herzlichkeit, Respekt und großes Einfühlungsvermögen für jede einzelne Bewohnerin und jeden einzelnen Bewohner bringt Marianne Ortmann mit. Sie freut sich über kleine Fortschritte und erzählt voller Stolz von einem erst 64jährigen, der nach einem Schlaganfall nicht mehr sprechen konnte. Sie nahm ihn trotzdem mit zum "Kulturtreff", setzte sich neben ihn und hielt ihm die Hand. Als gemeinsam gesungen wurde, sang er mit. "Wir kämpfen um jeden einzelnen Menschen", sagt sie aus tiefer Überzeugung. 

Die regelmäßigen Treffen stellt sie unter verschiedene Themen. Dazu gehören Gedächtnistraining, Alltagsfähigkeiten, Wahrnehmung. "Wenn sie trainiert werden, bleibt man länger fit und das ist schließlich Lebensqualität", so ihre Überzeugung. 

Das Frieda-Nickel Seniorenzentrum lernte sie kennen, als ihre Mutter 1995 dort einzog. Sie verstarb, für Marianne Ortmann unerwartet, schon 1999. "Die Heimbewohner und Heimbewohnerinnen haben mich damals aufgefangen", und so setzte sie ihre Aktivitäten fort. 

Auch ernsthafte Gesprächskreise leitet die agile Frau. Themen sind die persönlichen Freuden, Sorgen und Probleme oder Trauerbewältigung. Es gibt Runden, in denen die älteren Menschen lernen, über sich zu sprechen oder mit Mitbewohnern und Mitbewohnerinnen zu diskutieren. 

"Manchmal stepp ich auch für meine Leute. Von Stimmung bis Besinnlichkeit reicht das Programm. Sogar zur Kegelbahn entwickelt sich der Gemeinschaftssaal. Kegeln kann man auch im Rollstuhl", weiß Marianne Ortmann. Und sie weiß "wo Begeisterung ist, wird auch mitgemacht". Sie kann die Leute begeistern. Zu ihren Angeboten kommen oft alle, die überhaupt noch können. Von den insgesamt knapp 90 Bewohnerinnen und Bewohnern sind das meist 30 bis 40 Personen. Und wenn eine nicht mehr will, weil sie Depressionen hat, dann holt Marianne Ortmann sie aus ihrem Zimmer ab. Das gemeinsame Singen, die Bewegung, die Zuwendung können viel bewirken. 

Marianne Ortmann engagiert sich ehrenamtlich, aber nicht unprofessionell. 

Bis 1999 arbeitete die Arzthelferin in einer Bochumer Arztpraxis. Über drei "Ärzte-Generationen" war sie dort die kontinuierliche Kraft. Schon während ihrer Arbeit bildete sie sich fortlaufend weiter, um die Patientinnen und Patienten gut zu betreuen. Die Ärztekammer Westfalen Lippe verlieh ihr die Goldene Ehrennadel für Arzthelferinnen. Bis heute ist sie Mitglied des Prüfungsausschusses für Arzthelferinnen und Arzthelfer der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Mit viel Verständnis für die Prüflinge nimmt sie an den Abschlussprüfungen teil. 

Hinter jeder starken Frau steht auch ein Mann, könnte man den Slogan umdrehen. Bei Marianne Ortmann steht er neben ihr. Hans-Peter Ortmann ist nicht nur Diskjockey im Tanzcafé, sondern auch ihr eleganter Tanzpartner, der Chauffeur bei Ausflugsfahrten und der gut aufgelegte Charmeur beim Grillfest. Im Tennisclub lernte Marianne Ortmann ihn kennen. "Nach meinen Erfahrungen in der Arztpraxis, die sich auch mit misshandelten Frauen befasste, war ich Männerfeindin", gesteht sie. Damals hatte sie sich als fünf Jahre älter ausgegeben. Der Abschreckungsversuch wirkte nicht. Seit 1967 sind die beiden verheiratet. Sie verstehe die Klagen um das "verflixte 7. Jahr" nicht: "Bei uns wird`s immer schöner", strahlt sie, "ein Tag ohne meinen Mann ist ein verlorener Tag." 

Ohne ihren Mann könnte sie das Engagement nicht bringen. Er ist die zweite Hälfte der ganzen Aktivitäten. Schreibt die Texte für Einladungen und Lieder mit dem Computer, die Marianne Ortmann dann liebevoll illustriert. Er sucht kleine Anekdoten oder philosophische Erläuterungen mit heraus. Gemeinsam erarbeitet und organisiert das Ehepaar im Jahr mehrere große Feste, zum Beispiel zu Halloween oder zu Weihnachten. Sie überlegen, welcher Film angeboten werden könnte für den Kino-Nachmittag oder welches aktuelle Thema diskutiert werden soll. Wert legt Marianne Ortmann auf Niveau. "Wir lesen auch mal Märchen, zum Beispiel von Bertolt Brecht, es muss ja nicht Frau Holle sein." 

Auch während ihrer ehrenamtlichen Aktivitäten hält sie sich auf dem Laufenden über neueste Erkenntnisse und Ansätze in der Altenbetreuung. Sie belegte Psychologie-Seminare und besucht Fortbildungen der Inneren Mission und des Paritätischen Bildungswerkes. Ihre Zeit widmet sie außerdem der Katholischen Arbeiterbewegung und dem Caritas Besuchsdienst der Katholischen Gemeinde St. Bonifatius. Durch die Erkrankung ihres Mannes, der als Projektleiter in Kernkraftanlagen tätig war, ist sie seit 1990 in der Therapiegruppe Witten der deutschen Vereinigung Morbus Bechterew, seit 1999 im Vorstand aktiv. 

Marianne Ortmann ist eine einfühlsame Frau, temperamentvoll, lebensfroh und fleißig. Nachdem sie selbst an Krebs erkrankt war, sagt sie, habe sie sich zu ihrem Vorteil entwickelt: "Meine positive Einstellung zur Selbstheilungskraft ist dadurch gewachsen." 

*)Die Einrichtung der AWO ist nach der Mitbegründerin der Arbeiterwohlfahrt und SPD-Politikerin Frieda Nickel benannt.